Ausflug nach Lorenz


Die Stadt, die zwischen 1470 und 1530 ihre große Zeit erlebt, blüht in spätgotisch abendländischem Glanz.
Mens hebes ad verum per materialia surgit, hatte Abt Suger 1144 auf einem Glasfenster von St. Denis das gotische Programm formuliert: Der dumpfe Verstand erhebt sich durch sinnlich wahrnehmbare Wirklichkeit zur Wahrheit. Der Erhebung zur Wahrheit, so hat uns der Mentor der Lorenzer Kirchenführungen Herbert Bauer zu zeigen versucht, geht die atemberaubende Verwunderung und die rationale Bewegung der mächtigen Kathedrale voraus.
Beides ist noch zu spüren, wenn Schulklassen in die Kirche kommen: Bis zu dem Punkt, wo sie in der morgendlich dunklen Vorhalle stehen, ist alles laut, hektisch, impertinent. Da auf einmal löst sich das Massenereignis in einzelne Bewegungen. Köpfe, nach hinten geneigt, wandern nach oben, Körper in Dreiviertelwendung, dieser ungewöhnlichen Haltung.

Augen suchen den Punkt, wo die Decke aufhört, aber sie hört nicht auf, weil das Gewölbe unmerklich in die Wände und Pfeiler übergeht, deren Linien entgegenlaufen, sich irgendwo hoch oben krümmen, und die Kräfte sich kreuzen. Der Schlussstein über ihnen macht sie in der Drehung fast schwindelig. Wir kommen ins Schwärmen und verlieren den Faden!
St. Lorenz und Sebald verkörpern spätgotische Stilrichtung und Kunst in einer Klarheit, die den geheimen Glanz dieser Kirchen ausmacht und in dieser Konzentration und Dichte nirgendwo sonst mehr anzutreffen ist.
Dank der Ausdehnung der Stadt ist St. Egidien nun wieder „in“ und verkörpert mehr die Breite. Was in den Egidier Kapellen davon übrig ist, zeigt zumindest en miniature den verlorenen Glanz auch dieser großen Kirche.